Vor bald 80 Jahren hat ein menschenverachtender Krieg sein Ende gefunden. Wie kann es sein, dass noch immer der Geist des Faschismus durch unsere Gesellschaft wabert?
Verborgen im Fundament unserer Geschichte liegen Leichenberge von denen wir uns abwenden wollen.

Wir sehen Orte, Räume unseres Alltags in Deutschland und Europa, doch erzählen diese Orte auch von den Menschen und ihren Taten.
Wir haben etwas geschaffen, was wir Erinnerungskultur nennen. An wiederkehrenden Jahrestagen blicken wir auf geladene Zeitzeugen. Dabei gab es in allen Familien Zeitzeugen. Wir leben inmitten der Nachkommenschaft von Opfern, mehr noch von Tätern. Die Banalität des Bösen schreitet kontinuierlich durch unseren Alltag. An unseren Füßen klebt der Bodensatz der Geschichte.

Wir sagen “Wehret den Anfängen!” Doch liegt der Anfang lange hinter uns, abgelöst von der Kontinuität des Vergessens und Verdrängens.

In analog fotografierten Nacht-aufnahmen mit stundenlangen Belichtungszeiten zeige ich die malerisch wirkende Oberfläche der uns umgebenden Realität.
Ich fotografiere scheinbar unbedarfte Orte unseres Alltags. Durch beigefügte Texte werden sie demaskiert. Wie unter einer Blaulichtlampe werden die verdeckten Spuren einer Tat wieder sichtbar.
Entlarvte Orte unseres Alltags stehen nun gleichwertig neben den Kulminationsorten des Schreckens.

Wir kennen die distanzierte Ästhetik historisch wirkender Schwarz-Weiß Aufnahmen.
Ich wähle das Format von Kino und Entertainment. Cinemascope. Der befriedigte Blick soll sich unbedarft öffnen, noch bevor wir realisieren was wir dort sehen müssen.
Wir werden aufmerksam auf das was wir in der Nacht nicht sehen können und am Tag nicht sehen wollen.

Bringen wir Licht in das Dunkel unserer Angst. Es geht um den schlafenden Riesen des Faschismus in unserer Mitte dem wir wach und aktiv entgegen treten müssen – um Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass, der Angst vor dem Anderen keinen Raum mehr zu geben.

 

 

 

Seit einigen Jahren verfolge ich aufmerksam die künstlerische Arbeit des Berliner Fotokünstlers Jens Komossa. In seiner Fotografie treffen zwei Grundhaltungen aufeinander: Auf der einen Seite die des analog arbeitenden Fotografen, der die Grenzen des Mediums in stundenlangen Nachtaufnahmen in alle Tiefen hinein auszuloten weiß und dabei Bilder von malerischer Anmutung schafft. Auf der anderen Seite der freigeistige, nachdenkliche, aber auch poetische Künstler, der sich in Installationen mit dem Thema Raum auseinandersetzt und zusätzlich mittels poetischer Texte weitere Sinnebenen eröffnet.

Auf der ersten Ebene ist der Raum zwar das zentrale Thema von Jens Komossa, genauer betrachtet aber ist auf einer tiefer liegenden Bedeutungsebene der Mensch das eigentliche Thema. Auch wenn der Mensch selbst bei Komossa nie direkt abgebildet wird, macht er ihn dennoch als ein im Raum verborgenes Sujet greifbar, indem er die manigfaltigen Spuren in von Menschen geprägten Räumen sichtbar macht. Komossas Fototechnik ist dabei in gewisser Weise dokumentarisch, während der Gestus seiner stundenlangen Belichtungszeiten ein sich permanent überlagerndes Licht hervorbringt, das einen malerischen Duktus erzeugt.

In seiner aktuellen Arbeit DARK setzt sich Komossa gezielt mit Räumen des Faschismus auseinander. Seine Arbeit ist hier durchaus politisch, ohne ideologisch agitativ zu sein. Die Sprache kommt als wichtiges Stilmittel hinzu. Komossa hat einige Jahre in ganz Europa Nachtaufnahmen scheinbar alltäglicher Situationen im Panoramaformat fotografiert .

Diesen nächtlichen Räumen setzt er eigene Texte gegenüber, die die Schönheit seiner Bilder erstarren lässt. Die alltägliche Gegenwart wird so als lebendiger Zeuge vergangener Spuren und Ausläufer des Faschismus demaskiert.
Komossa selbst spricht “vom schlafenden Riesen des Faschismus in unserer Mitte”. Es fehlt nicht viel und der Riese treibt bald wieder sein Unwesen.

Jens Komossa legt mit DARK, einer bewegenden und aufrüttelnden, intermedialen Fotoarbeit, auf subtile Art den Finger in eine gärende Wunde unserer Zeit.

 

 

Gerne schreibe ich zum Projekt DARK von Jens Komossa. Wie im besten Falle eines Künstlers kann man auch bei Jens Komossa sagen, dass seine Kunst ganz Ausdruck der Künstlerpersönlichkeit selbst ist. Bekannt geworden ist Jens Komossa mit analogen Langzeitbelichtungen von Räumen. Räume sind dabei immer nur der Anlass. Seine
eigenwillig farbigen Nachtaufnahmen von Räumen, immer in Serien gruppiert, Serien die oft parallel über Jahre verfolgt werden, beschäftigen sich mit den Spuren, die die Handlungen ihrer Akteure bewahren.

Seine Fotografien von Räumen zeigen den Menschen als Individuum, als Teil unserer Medienlandschaft oder, wie in seiner aktuellen Serie DARK als politisches Wesen – dort als Opfer wie auch als Täter.

Der Mensch hinterlässt einen durch seine Taten geprägten Raum. In seiner Arbeit dechiffriert Komossa die vom Akteur geprägte Bühne und legt sie uns offen dar.

Wer Jens Komossa kennenlernt, merkt schnell, dass er auch ein Mann der Sprache ist. Dabei ist es nur folgerichtig, dass seine aktuelle Arbeit DARK vom Künstler selbst verfasste Texte mit den eigenen Nachtaufnahmen verknüpft. Die fragile Schönheit seiner Bilder wird durch die brutalen Inhalte der Texte demaskiert und transformiert seine Arbeit zum politischen Werkzeug. Man kann spüren, dass hinter diesen im besten Sinne dokumentarisch poetischen Arbeiten eine intensive Recherche und persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Faschismus stattgefunden hat.