Ausgelöst durch die kurze Such-Mail des Farmers Kjell Engström aus einem Dorf in Finnland mit dem Namen „Komossa“ beginnt die curiose Reise des Nachtfotografen in lichtdurchströmte finnische Sommernächte.
Ausstellungsansicht – Neue Sächsische Galerie Chemnitz:
Eröffnung der Ausstellung in der Sauna im Beisein des Finnischen Kulturattaché und des Museumsdirektors:
SZ Online
Der Berliner Forograf Jens Komossa (40) drueckt nur nachts auf den Ausloeser. Bis er sein Wunschbild hat, koennen gut vier, fuenf Stunden vergehen.
So hat er ganze Naechte im gruenen Neonlicht franzoesischer Staedte und auf den Strassen Berlins zugebracht. Vor einiger Zeit machte Komossa im finnischen Komossa die Nacht zum Tag. Kurios: Auf das kleine Dorf am Bottnischen Meerbusen, das so heisste wie er, ist der Kuenslter dank Internet und eines Bauern namens Kjell Engstrom gestossen.
Kurz nach der Internetbekanntschaft besuchte Jens Komossa das einsam gelegene 100-Seelen-Ort. Auf naechtlicher Fotopirsch in freier Natur machte er dann manche ungeahnte zwielichtige Erfahrungen: „Zwar verschwindet auch da nachts die Sonne, aber nicht das Licht.“
Komossas beinahe taghellen forografischen Entdeckungen in Komossa bei Nacht verlangen geradezu nach einem aussergewoehnlichen Ausstellungsort. Ab morgen koennen bei Ihrem Anblick die Gaeste der Damen- und Herrensauna im Chemnitzer Statbad entspannen. Vernissage ist heute (17.30 Uhr) in der Sauna.
„Komossa in Finnland“ ist ein zweiteiliges Ausstellungsprojekt der Neuen Saechsichen Galerie, eine weitere Auswahl der grossformatigen Langzeitfotografien ist bis 20. November 2005 im Stammsitz „Tietz“ zu sehen. Inzwischen weiss Komossa auch, was Komossa auf Finnisch heisst: die Kuh auf der Lichtung.
Ch. Hamann-Poenisch
Die kleine Komossareise
mit den neuesten Geschichten
Mittlerweile ist man es ja gewohnt, häufig mit Spam-Mails unbekannter Absender versorgt zu werden, und je nach Server oder Filter gerät womöglich auch die falsche Mail gelegentlich ins Abseits. Eines schönen Tages bekam ich dann eine ganz andere Email zugesandt. In kurzen Worten schrieb der mir damals gänzlich unbekannte und für deutsche Ohren ungewohnt klingende Kjell Engström, er käme aus einem kleinen Dorf mit Namen Komossa und wolle wissen, ob ich Angehörige aus Komossa hätte.
Komossa, war das ein Versehen oder mißinterpretierte ich mein oder sein Englisch. Dazu sollte man wissen, daß meine Name Jens Komossa ist. Hatte ich das richtig verstanden, kam da jemand aus einem Ort der Komossa hieß. Wie heute üblich sah ich direkt im Internet nach. Ich fand www.komossa.fi Ein paar Kühe blickte mich an, wie ich nun weiß, die von Nachbar Magnus, bei dem ich heute ein von seiner Frau Malin fein zubereitetes, hervorragendes Stück Elch gegessen habe; nachdem ich schon gestern ein Geweih bestaunen konnte.
Doch wir wollen nicht vorgreifen. Weiter ein weißer Schriftzug auf blauem Grund, das Dorfeingangsschild und dann der erhöhte Blick, von einem Berg, oder aus einem Flugzeug auf ein gemütlich wirkendes, ländlich gelegenes Dorf. Das war also Komossa, oder sagen wir die andere Version von Komossa, wenn man aufhört über sich oder andere Komossas als Person nachzudenken.
Wie meine Freunde wissen bin ich in der Beantwortung von Post oder gar Email äußerst unzuverlässig und so verging erst einmal eine Weile ehe ich mich Kjell Engström, oder eben Komossa, wie sich herausstellte in Finnland, weiter zuwandt und versank wieder im gewohnten Streß eines Fotografen in Berlin. Etwa drei Monate später bin ich zu einer Fotoausstellung in der Städtischen Galerie von Chemnitz eingeladen worden. Nun ergab sich eine kuriose Konstellation. Normalerweise befasse ich mich in meiner künstlerischen Arbeit mit Nachtfotografie. Zu dieser Zeit war es in Finnland über Nacht, wie im Sommer üblich fast noch taghell. Das Zusammenkommen dieses Zustandes mit meinem persönlichen Interesse, nahm ich zum Anlaß kurzerhand eine Fähre zu buchen um mich auf den Weg nach Komossa zu machen. Die Fernseh-Journalistin Christine Daum begleitete mich. Ihr erschien die Komossageschichte ebenso kurios. Sie wollte einen kurzen Film darüber machen.
Mehr aus einem Gefühl, als aus tiefer Erkenntnis heraus, entschieden wir uns der finnischen Weise entsprechend, mit dem Auto den Weg mit der Fähre von Rostock nach Trellborg in Schweden, dort mit dem Wagen durch Schweden nach Stockholm und von dort ein weiteres Mal mit der Fähre nach Turku überzusetzen. Anders als mit dem Flugzeug, wird man sich schon auf der Reise der Distanz zu einem anderen Ort bewußt. Und tatsächlich hatte sich unsere Reisegeschwindigkeit bis zu unserer Ankunft in Komossa der finnischen Fahrweise angepaßt und wir tuckelten zusammen mit anderen Finnen auf langsam dahingleitenden Landstrassen den Trucks hinterher.
Nach etlichen Kilometern, die uns darauf aufmerksam machten, daß man, anders als in Deutschland, hier am Wald vorbei nicht etwa Hirsche, sondern Elche zu überfahren droht, gelangen wir dann in das namensgleiche Dorf Komossa. Und schon als drittes Haus am Weg, gegenüber der “Komossa Skola“, winkt lässig in seinem Garten stehend Kjell Engström. Gleich nebenan seine drei Söhne Thomas, Tommy und Jonny, die auf dem neu angeschafften Trampolin, mit dem man selbst Schulen vor Neid erblassen lassen könnte, unermüdlich durch die Luft wirbeln.
Als ich in Deutschland losfuhr, dachte ich noch, mit einem schwedischen Wagen, einer schwedischen Kamera und einem schwedischen Telefon ausgerüstet, würde ich die quasi skandinavischen Mindeststandards einhalten, doch stellte sich heraus, daß es mehr der Offenheit und Herzlichkeit von Kjell und seinen Söhnen zu verdanken war, daß trotz der unzufrieden beantworteten Frage ob ich nun einen der in Finnland gern gesehenen Audi, BMW oder Mercedes fahre, mit offenen Armen empfangen wurde.
Finn-Tango
Aus der Überraschung Kjells in meinem Auto finnische Tangomusik zu hören, entwickelte sich nach einer kurzen Abgrenzung finnischer gegenüber österbottischer Lebens- oder eben Tangoweise, die Idee in den finnisch besetzten Teil Finnlands zu fahren um finnische Tangoweisen Paroli zu bieten. Die Idee fand schnell mehr und mehr Anhänger, so daß schon bald ein ganzer Bus gebucht werden mußte um die zahlreiche Schar der Tanzwilligen in den finnischen Sektor zu bringen. Viel wichtiger schien vor allem der Gedanke, die Rückfahrt besser vertrauensvoll in die Hand eines Unbeteiligten zu legen.
Kjell gab mir eine ausführliche und eindringliche Unterweisung, die für etwa zwei Minuten und drei bis vier Tanzschritte den Wohnzimmerboden in eine brodelnde Tanzfläche verwandelte. Die gesammelten neuen Erkenntnisse wurden dann gemeinsam am Küchentisch bei einigen Gläsern Whiskey, dem eigentliche Hauptanliegen der Schulungsmaßnahme, vertieft.
Nach einigen weiteren Erörterungen mit der nun bereitenstehenden Flasche und unseren zwei Gläsern, die man auch als vorrauseilende Auflockerung verstehen konnte, wurde eine Art Kampfgemisch, getarnt mit Apfelsinensaft, in eine handliche Flasche gefüllt.
Durch das Küchenfenster sah man aus allen Richtungen heranschreitende Tanzgesellen, die sich verabredungsgemäß an der Komossa Skola versammelten, bei der kurze Zeit später auch der Bus eintraf. Es schien, daß die schon im Bus versammelten ähnliche Vorbereitungen durchlaufen hatten und so wurden wir herzlich und mit breitem Grinsen empfangen. Der Rest der Mannschaft wurde dem Straßenverlauf folgend aufgelesen und so konnten wir nun vollzählig versammelt den Weg nach Kalliojärvi antreten.
Auf der Fahrt sah ich für mich überraschend mit welcher Lässigkeit Bierflaschen mit den Backenzähnen geöffnet oder aus den sonst für Schminkutensilien vorbehaltenen Handtaschen der bezaubernden Damen, gut gekühlte Bierflaschen gezaubert wurden. In diesem Sinne bestens versorgt, kommen wir in einer Art Riesenblockhütte am Waldesrand, idyllisch gelegen am See in Kalliojärvi an.
Nachdem die mitgebrachten kleinen Wundermittel getilgt wurden, strebt alles zunächst auf die Terrasse und die mitgebrachte Hälfte des Dorfes „Komossa“ etabliert sich um einen großen Tisch und genießt den Blick auf den See oder den Plausch mit dem Nachbarn. Während ich mich nur kurz der überschüssigen Biermengen entledige, was einige der Mitreisenden bereits beim Eintreffen im finnischen Sektor am Straßenbrand erledigt haben, ist der als Reiseleiter anzusehende Kjell bereits bei der heute tonangebenden DAMENWAHL einem ungewissen Bestimmungsort, den man auch als Tanzfläche bezeichnet, zugeführt worden. Nachdem Henry mich zu einem Bier einlädt, habe ich das Vergnügen, mit seiner Frau, der von Kjell zu Recht als hervorragend angekündigten Tänzerin, Soile zu tanzen. Ich weiß, daß ich danach noch sehr viel Spaß mit einigen der Komossadamen auf der Tanzfläche hatte, doch verliert sich zunehmend die Spur meiner Erinnerung. Nicht nur Mitreisende mögen die Gründe erahnen. In der Hoffnung, nicht zu sehr oder zu oft der einen oder anderen auf die Füße gestiegen zu sein, möchte ich mich hier noch einmal sehr für diesen sehr schönen Abend bei allen Beteiligten bedanken.
Wettbewerb unter echten Komossamännern
1986 haben die Freunde Hilding Back und Karl-Göran Löfgren, damals schon im Dorf als die sportliche Spitze angesehen, angefangen sich neuen Herausforderungen zu stellen und im väterlichen Garten einen Kugelstoßenwettbewerb zu starten. Aus dieser anfänglichen 2-Mann-Show hat sich eine alljährliche Tradition gebildet. Und während in ganz Finnland nach dem Ende der letzten Eiszeit das Land sich zu heben beginnt, scheint in Hildings Garten durch alljährlichen Kugelbeschuß der Garten sich zu senken.
Um die zwei Gründungswerfer hat sich eine kleine Gruppe von wechselnden Mitstreitern gebildet. Dabei ist erstaunlich, daß die ausgefeilte Technik in Kombination mit hervorragender körperlicher Verfassung der „alten Hasen“ den jungen Herausforderern mehr als gewachsen ist. Die ausgefeilten Regeln der beiden Begründer scheint ein weiterer Sachzug in einer Strategie der Verwirrung, dessen oberste Priorität der gemeinsamen Freude dient.
Nachdem ich einige der mit einem lauten Urschrei herausgeschleuderten, an mir vorberauschenden Kugeln sah, hatte ich noch versucht mit einer aus alten Schulzeiten bewährten Technik der Unsichtbarmachung, mich dem anfänglich optimistisch entgegengesehenem Wettkampf zu entziehen. Da dies mißlang stand ich also dennoch wenig später mit einer 5 Kilo schweren Kugel hinter einem im Rasen eingelassenen Holzbalken und nahm an der Umpflügung des Gartens teil. Mir wurde einer der mit Kreppband umwickelten und beschrifteten Schraubenzieher zugewiesen, der als Einschlagmarkierung diente. Der Hinweis, daß diese im nächsten Jahr voraussichtlich sämtlich über GPS erfaßt würden, war nur ein weiterer Teil der üblichen Verwirrungsstrategie, die darin endete, daß sich mein Schraubenzieher zunächst im Mittelfeld wiederfändt. Doch während alle Beteiligten scheinbar erst warmliefen und mit fortschreitender Zeit besser und besser wurden, konnte ich meine Anfangsdistanzen kaum noch halten.
Wer weiß, ob in der dem Garten angrenzenden Küche tatsächlich nur Kaffee ausgeschenkt wurde oder nicht doch regionale Kräutermischungen als Dopingersatz eingesetzt wurden.
Mit den besten Grüssen von Jens Komossa
Fortsetzung folgt…